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Die Anmerkung beruht auf dem Stand der Rechtsprechung vom 15.10.2004
Abstrakte Normenkontrolle durch
den EuGH, insbesondere von Anforderungen an
die Beschaffenheit vonProdukten.
Von Rechtsanwalt Dr. Christian Heinze, Fachanwalt für Verwaltungsrecht
in München.
Ein „Leitsatz der Redaktion“ der NJW zum Urteil der 1. erweiterten
Kammer des Europäischen Gerichts Erster Instanz vom 3.5.2002 – T 177/01
(Jégo-Quéré) - NJW 2002, 2088 verbreitete bei Rechtsschutzinteressenten
Freude: Nach Art. 230 Abs. 4 EG könne jeder zum EuGH die dort
vorgesehene Nichtigkeitsklage erheben gegen Entscheidungen, „die,
obwohl sie als Verordnung … ergangen sind, ihn unmittelbar und
individuell betreffen“. Nach dem Urteil ist eine Person von einer
allgemein geltenden Rechtsvorschrift der Europäischen Gemeinschaft
individuell betroffen, wenn diese Vorschrift ihre Rechte unzweifelhaft
und gegenwärtige einschränkt oder ihr Pflichten auferlegt. Die
Zulässigkeit der „abstrakten Normenkontrollklage“ (das ist eine auch
ohne Vollzugsakt zulässige Klage gegen eine Rechtsvorschrift) zum
Gemeinschaftsrichter erschien danach als gesichert, wenn die
gegenwärtige individuelle Betroffenheit des Klägers, sei es auch
zugleich mit der Betroffenheit eines abstrakt bestimmten Kreises
Dritter, unzweifelhaft feststeht. Die Begründung des Urteils vom
3.5.2002 rechtfertigte den Leitsatz: Der Kläger war von einem
Fischfangverbot mit Schleppnetzen unter 10 cm Maschengröße mit Booten
über 30 m Länge in einem bestimmten Gebiet südlich Irland betroffen.
Nur er fing hier mit seinen großen Schiffen „Wittling“. Nach der das
Verbot begründenden Rechtsvorschrift hatte er sich unmittelbar an das
Verbot zu halten, ohne dass es eines besonderen gegen ihn gerichteten
Verwaltungsaktes bedurfte.
Inzwischen hat der EuGH (6. Kammer) für Ernüchterung gesorgt. Mit
Urteil vom 1.4.2004 – C 263/02 – NJW 2004, 2006 hat er das Urteil vom
3.5.2002 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der EuGH hat das Merkmal
der „individuellen“ Betroffenheit - nach einem einleitenden feierlichen
Bekenntnis zum „effektiven Rechtsschutz“ - dahingehend bestimmt, dass
der Betroffene „in ähnlicher Weise individualisiert“ sein muß wie ein
„Adressat“ (eines Einzelakts). Individuell sind danach nur diejenigen
betroffen, die die Norm „wegen bestimmter besonderer Eigen-schaften
oder auf Grund von Umständen betrifft, die sie aus dem Kreis aller
übrigen Personen heraushebt“. Eine abstrakt-generelle
Rechtsbeeinträchtigung bewirkt danach auch keine individuelle
Betroffenheit derjenigen, die tatsächlich als einzige als
Verbotsadressaten in Betracht kommen. Effektiver Rechtsschutz, zu
dessen Gewährleistung die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, ist nach
dem Urteil vom 1.4.2004 trotzdem gewährleistet, wenn der Betroffene die
Kontrolle der Rechtmäßigkeit der ihn beeinträchtigenden
Rechtsvorschrift „inzident“ im Rahmen eines Rechtsmittels mit Bezug auf
ein sie vollziehendes (behördliches) Verhalten erreichen kann. Er muß
also ein solches Verhalten herbeizuführen suchen, um Rechtsschutz
beantragen zu können. Damit hat der EuGH zugleich ausgesagt, dass die
Mitgliedstaaten nach Europarecht - unter der genannten Voraussetzung -
auch nicht verpflichtet sind, eine abstrakte Normenkontrollklage gegen
Europarecht zuzulassen.
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Wenig später erging ein diese Rechtsprechung vertiefender Beschluß des
EuGH für einen Rechtsbereich, in dem die abstrakte Kontrolle für einen
effektiven Rechtsschutz besonders wichtig ist, nämlich für den Bereich
der Rechtsanforderungen an die Beschaffenheit von Produkten. Dem
Beschluß in Sachen Schmoldt, Kaefer und Hauptverband der Deutschen
Bauindustrie gegen die Kommission (T 264/03) vom 25.5.2004 lag
folgendes zugrunde: Nach Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 2 der
Bauprodukte-Richtlinie 89/106/EWG kann das Europäische Komitee für
Normen (CEN) Normen und technische Zulassungen für Bauprodukte
festlegen. Diese sogenannten „harmonisierten Normen“ werden durch die
EG-Kommission im Amtsblatt der EG veröffentlicht. Sie berühren unter
anderem Interessen der Industrie, insbesondere der Bauindustrie, etwa
wenn sie deren eigene Qualitätsanforderungen nicht erreichen oder wenn
Produkte auf Grund anderer Spezifikationen dieselbe Sicherheit bieten,
während die Umstellung mit hohen Kosten verbunden wäre. Der gegen
solche Festlegungen vorgesehene Rechtsbehelf ist der Einspruch, mit dem
ein Mitgliedstaat die „Streichung“ der Norm beantragen kann, etwa weil
sie ungenügende Anforderungen aufstellt. Über den Einspruch entscheidet
die Kommission nach Einholung einer Stellungnahme des zuständigen
Fachausschusses. Deutschland hat gegen eine solche, unter anderem
Wärmedämmstoffe betreffende Norm Einspruch erhoben, der abgelehnt
wurde, scheint aber davon abgesehen zu haben, gegen die Ablehnung den
Europäischen Gerichtshof anzurufen.
Eine Nichtigkeitsklage zum Europäischen Gericht gegen diese Norm haben
jedoch der Geschäftsführer des Hauptverbandes der deutschen
Bauindustrie, zugleich in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des
zuständigen CEN-Ausschusses, ein Unternehmen, das betroffene Baustoffe
verwendet, und der genannte Verband erhoben. Das Europäische Gericht
Erster Instanz hat diese Klage mit dem Beschluß vom 25.5.2004 als
unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die
angegriffene Norm sei eine „Handlung“ mit „allgemeiner Geltung … für
objektiv bestimmte Situationen“ und mit „Rechtswirkung gegen allgemein
und abstrakt bestimmte Personengruppen“. Der Klage stehe zwar nicht
entgegen, dass der Akt nicht namentlich an die Kläger adressiert ist.
Gegen einen Akt des beschriebenen allgemeinen Charakters könne aber nur
klagen, wer von ihm in individuell herausgehobener Weise besonders in
eigenen Rechten betroffen sei. Ein Mitglied des CEN sei nicht in
eigenen Rechten betroffen. Ein Unternehmensverband sei es jedenfalls
dann nicht, wenn keines seiner Mitglieder individuell betroffen ist.
Auch begründe es keine unmittelbare Betroffenheit im relevanten Sinn,
wenn Unternehmen, die genormte Produkte verwenden, durch die Norm
unterschiedlich betroffen werden oder wenn die Norm einen Eingriff in
ihre Verträge bewirkt.
Auch wenn kein Unternehmen gehindert ist, mit einer höheren Qualität
seiner Produkte zu werben, als sie die harmonisierte Norm verlangt,
bedeutet die authentische Freigabe weniger qualifizierter Produkte
jedenfalls einen Wettbewerbsnachteil für den anspruchsvolleren
Hersteller. Es bleibt abzuwarten, ob in Deutschland Kontrollklagen auf
Grund der nicht rechtssatzmäßigen Rechtsnatur oder der Rechtsfigur der
Allgemeinverfügung zugelassen werden.
Der EuGH verweist Betroffene auf die Möglichkeit, im
mitgliedstaatlichen Rechtsweg die Einholung einer Vorabentscheidung des
Europäischen Gerichtshofs nach Art. 234 EG zu erreichen. Voraussetzung
sind das Betroffensein in Rechten durch einen auf Grund der Norm
erlassenen staatlichen Einzelakt und Zweifel des mitgliedstaatlichen
Gerichts an der Vereinbarkeit der Norm mit höherrangigem EG-Recht. Die
Kontrolle der EG-Rechtmäßigkeit harmonisierter Normen obliegt danach in
erster Linie den mitgliedstaatlichen Gerichten im Rahmen des
mitgliedstaatlichen Prozeßrechts.
Die Rechtsprechung des EuGH könnte die geringe Sympathie noch
vermindern, die die in Deutschland in engen Grenzen zulässige abstrakte
Normenkontrolle beim Gesetzgeber und bei den Gerichten genießt. Eine
weiter restriktive deutsche Rechtsprechung ist zu befürchten. Das
Europarecht dürfte hier nach unten nivellierend wirken.
* * *
Beiläufig hat das Gericht ausgesprochen, dass die bloße Leugnung einer
Rechtsgrundlage für einen auf EG-Recht gestützten Akt in einer Klage zu
diesem Gericht unbeachtlich ist. Eine derartige Geltendmachung muß
mindestens eine kurze Begründung enthalten.
Auch hat der EuGH erwähnt, dass nur die Entscheidung über die
beantragte Streichung einer Norm, nicht aber deren Veröffentlichung
durch die Kommission überhaupt als Gegenstand einer Aufhebung durch das
Gericht in Betracht kommt. Die Begründung, das Gericht könne der
Kommission keine Vorschriften für ihr Vorgehen machen, diese müsse
vielmehr selbständig die Konsequenz aus einer etwaigen Nichtigkeit
einer Entscheidung über die Streichung ziehen, ist mit dem Gedanken
effektiven Rechtsschutzes schwer zu vereinbaren.
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